Good Practice aus der Wirtschaft - 14.05.2025
Wiedereinstieg nach Pensionierung

Interview mit Beat Vögtlin, Endress+Hauser Flowtec
(links im Bild)
Bald sind Sie 70 Herr Vögtlin. Wie kommt es, dass Sie bis heute bei Endress+ Hauser Flow Ihr Wissen weitergeben?
Ursprünglich war es nicht geplant, dass ich noch so lange bei Endress+Hauser Flow bleibe. Ende 2021 hätte ich eigentlich meinen Ruhestand antreten und mit meiner Frau eine längere Reise nach Australien unternehmen wollen. Doch dann kam die Pandemie, die alles auf den Kopf stellte.
Zur gleichen Zeit befand sich das Unternehmen mitten in einer HR-Transformation, bei der ich in meiner Funktion eine mittragende Rolle spielte. Mein Vorgesetzter, Michel Beutler, hat mir bereits vor meinem geplanten Ruhestand angeboten, im Projekt weiter mitzuarbeiten. Diese Wertschätzung und das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, haben mich sehr motiviert. Es ist für mich eine große Freude, mein Wissen weiterhin einbringen zu dürfen und so einen Beitrag zum Erfolg unseres Teams zu leisten.
Für mich ist es nicht nur eine Aufgabe, sondern auch eine Herzensangelegenheit, weiterhin Teil dieses engagierten Teams zu sein und gemeinsam an spannenden Herausforderungen zu arbeiten.
Was ist denn Ihr innerer Antrieb, über das Referenzalter hinaus zu arbeiten?
Ich bin ein positiv denkender Mensch, der es liebt, neue Herausforderungen anzunehmen, auch wenn ich mich nicht immer ganz sicher fühle. Meine Neugier und der Drang, Neues zu beginnen, treiben mich an, auch über das Referenzalter hinaus aktiv zu bleiben. Der Kontakt zu Menschen und die Zusammenarbeit im Team – auch mit den Jungen - sind für mich von großer Bedeutung. Ich suche stets nach Ursachen und Lösungen, um herauszufinden, wie ich Dinge besser machen kann.
Ich gehe gerne voraus und inspiriere andere, gemeinsam an Zielen zu arbeiten. Dabei bin ich immer offen für neue Ideen und Ansätze. Manchmal musste meine Frau mich etwas bremsen, da ich oft mit voller Energie und Enthusiasmus in neue Projekte stürze.
Zeigt sich diese Neugier in Ihrem Lebenslauf?
Ja, auf jeden Fall! Ursprünglich bin ich Geomatiker/Vermessungsingenieur. Über Produktmarketing bin ich bei Endress+Hauser für 17 Jahre in die Bereiche Vertrieb und Marketing geraten, was mir wiederum die Nähe zur Kommunikation eröffnet hat. Von da aus war der Sprung ins HR nicht mehr weit. Hier begann ich als Abteilungsleiter Personalbeschaffung, entwickelte mich weiter zum Leiter der Personalentwicklung und war am Ende meiner Karriere Senior HR Manager. Um die Dimension der Firmenentwicklung aufzuzeigen: Bei meinem Eintritt bei Endress+ Hauser Flo waren wir 100 Mitarbeitende – 2023 bei meinem Austritt ca. 1700 MA.
Ein Jahr später als geplant, sind sie dann für 8 Monate nach Australien gereist. Was geschah, als Sie im April 23 zurückkamen?
Während meiner Reise war ich immer mit Michel Beutler in Kontakt und ich wusste, dass er, von der GL unterstützt, ein Teil-Projekt zu Employer of Choice 55+ plante. Ziel war, fördernde Rahmenbedingungen zu schaffen, welche es ermöglichen, diese Zielgruppe zu motivieren über das Referenzalter hinaus zu arbeiten.
So kam es, dass ich nach meiner Rückkehr im Oktober 23 einen TZ-Mandat von 20% für dieses Projekt 55+ übernahm und heute nach wie vor dran bin – so, wie es aussieht noch bis Ende September dieses Jahres.
Interview mit Michel Beutler, Vice President Human Resources bei Endress+Hauser Flowtec
(rechts im Bild)
Herr Beutler, welches waren Ihre Beweggründe, Herrn Vögtlin über die Pensionierung hinaus im Betrieb halten zu wollen?
Ehrlich gesagt, war und ist es mir eine Ehre, dass wir Beat Vögtlin länger bei uns behalten durften. Seine Persönlichkeit, sein Einsatz, seine Flexibilität, seine positive Art und besonders seine vielen Jahre der Erfahrung in unserem Unternehmen, sind enorm wertvoll. Beat ist ein Vorbild in unserem Unternehmen – er wird von vielen geschätzt oder sogar bewundert. Ich möchte mich ganz herzlich bei Beat bedanken für seinen Einsatz im Unternehmen. Ohne ihn wäre das Projekt 55+ nicht zu diesem Erfolg gekommen.
Welche Kriterien haben Sie in der Unternehmenskultur von Endress+Hauser Flow verankert, dass Mitarbeitende ab 50+ ein unverzichtbarer Teil der Belegschaft sind und in ihrer Entwicklung gefördert werden?
Zum einen existieren in unserem Unternehmen nebst der vertikalen Hierarchie und der horizontalen Prozesslandschaft die selbstorganisierten Netzwerke. Diese organisieren sich aufgrund ihrer Interessen und Eigenmotivation ausserhalb jeglicher Führungsstrukturen. So existieren Netzwerke für Projektleiter: innen, für Expert:innen, für die jüngere Generation und eben neu auch für die ältere Generation – das sogenannte Netzwerk 50+. Die Existenz dieses Netzwerks ist der Geschäftsleitung sehr wichtig. Gerade auch der Austausch unter den Netzwerken wird sehr stark gefördert und hilft dem Verständnis und der gegenseitigen Wertschätzung. So tauscht sich das Netzwerk 50+ regelmässig auch mit dem Netzwerk der «Young Professionals» aus – ein win-win für beide Seiten, die viel voneinander lernen.<
Und mit dem Projekt 55+ setzen wir noch einen obendrauf und stellen sicher, dass wir ältere Mitarbeitende gesund und zufrieden bis zur Pensionierung und darüber hinaus aktiv begleiten.
Beide Interviews wurden mit Loris von Reitzenstein von focus50plus geführt.
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